Bach gefühlvoll und elegant interpretiert (2004)

Am Totensonntag in der evangelischen Kirche in Fürfeld

Von Annette Gast-Prior

Kunst erklären? Musik ausge rechnet? Und auch noch am Ewigkeitssonntag, dem die Trauer als unnahbares Motto anhaftet? Sollten dies Tabubrüche sein, so sind sie beim Konzert „zwischen Trauern und Hoffen“ in der evangelischen Kirche in Fürfeld wohltuend gelungen. Der Wahl-Münchener und Australier Michael Leslie ist dem Publikum dort seit Jahren bekannt und hat auch in Johann Sebastian Bachs Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier in bewährter Weise eingeführt, bevor er sie erklingen ließ.Der Zusammenhang mit den Texten, die Pfarrer Hannes Wössner für die Lesungen ausgewählt hatte, erschloss sich Dank der erklärenden Worte. Wie Wössner in seinen Textbeiträgen, so ließ Leslie in der Musik Dialoge anklingen – zwischen Trauer und Hoffnung, zwischen der Seele und Gott, zwischen widerstreitenden Stimmen, die in Trauernden um Antworten ringen und nicht zuletzt zwischen dem Pianisten und seinem Publikum.Die einzelnen Themen, die in der Fuge ständig wechselnd zwischen Führung und Unterordnung korrespondieren, verglich der Pianist anschaulich mit einem Bienenstock als einem ideal organisierten Staat. Alle Einwohner erfüllen wichtige Aufgaben – so wie die drei, vier oder gar fünf Stimmen einer Fuge nebeneinander „ein völlig erfülltes Leben“ führen: eigenständig und individuell, aber alle als Teil des Ganzen.Stellte Leslie Bach als den Meister der polyphonen Musik dar, so zeigte er im Spiel auf seinem Grotrian Steinweg-Flügel, welch breite Möglichkeiten der Ausgestaltung dieses Instrument bietet – wenn auch dieses speziell, wie der Musiker einräumte, „viel zu wünschen übrig ließ“. Schon Präludium und Fuge in cis-moll mögen jene in Staunen versetzt haben, die „ihren“ Bach sonst auf der Orgel gespielt hören. Beeindruckt dort handwerkliche Finesse, so stellte Leslie einen gefühlsbetonten Bach vor: Mit federleichtem Anschlag intonierte er das anmutige Präludium, präsentierte die vorab besprochenen Themen und übertrug mit tiefem Ausdruck den Inhalt des Matthäus-Textes, der zuvor Seelenruhe verhieß. Die zarten Läufe im Präludium BWV 878, auch Triller und den vergleichsweise strengen Duktus der zugehörigen Fuge drangen angenehm ans Ohr – ganz wie die tröstlichen Worte aus dem 139. Psalm. Der nüchternen Sprache Jesajas angemessen entsprach die h-moll-Fuge. Leslie spielte die langsam sich verdichtenden Variationen mit großer Ruhe, obgleich sie rastlos dem erlösenden Schlussakkord zustreben. Selbst das bekanntesten Stück, Präludium und Fuge in G-Dur, interpretierte er trotz des rasanten Tempos gelassen. Leslie bescherte Fürfeld einen Konzertabend mit Überraschungen: Bach, mit Leichtigkeit, Tiefe und großer Eleganz gespielt.